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Mit freundlicher Genehmigung der Sächsischen Zeitung

Sächsische Zeitung 20.09.2019 07:00 Uhr

Diese DDR-Legende soll zurückkehren 

Wie Enthusiasten aus Dresden den Vindobona wieder auf die Gleise bringen wollen. 

Im «Vindobona» durfte einst nur ein ausgewähltes Publikum mitreisen. © Deutsche Bahn/dpa

Von Christoph Springer

Der Glanz ist weg. Der Lack ist matt, manche Sitzpolster sind fleckig, die Toiletten müssen dringend gereinigt werden, und die Motoren sind seit 16 Jahren nicht mehr gelaufen. Der SVT 18.16 hat seine besten Jahre längst hinter sich. Er steht in einer Abstellhalle nach der Zwickauer Straße und könnte dort noch ewig so stehen, wenn es nicht Ingo Kamossa und Mario Lieb aus Leipzig gäbe. Sie haben Großes vor. Sie wollen den Stolz der DDR-Eisenbahn wieder flott machen. 40 Mal pro Jahr soll er künftig fahren, auf den alten Strecken, auf denen er damals unterwegs war: Nach Prag und Wien, nach Karlovy Vary, Malmö und Kopenhagen. Berlinaren, Karlex und Neptun hießen die Verbindungen damals, in Dresden ist der Vindobona am besten bekannt. Er fuhr von Berlin über Dresden und Prag nach Wien und hielt dabei auch in Dresden-Neustadt und im Hauptbahnhof.

Jetzt steht er ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs in einer Halle, in der Kamossa und Lieb Platz für ihren Zug gemietet haben. Dort soll er wieder fit gemacht werden für die Zukunft. 40 bis 50 Helfer haben die zwei Eisenbahnenthusiasten dafür bisher gewonnen und bereits den ersten großen Schritt geschafft. Das war im März die Überführung des Zugs von Lichtenfels in Oberfranken nach Dresden.

Der Schnellverkehrstriebwagen (SVT) gehört dem DB Museum in Nürnberg. Lieb und Kamossa haben ihn nicht gekauft, sondern geliehen. 2018 wurde er in einer Ausstellung gezeigt und dafür ein Triebwagen äußerlich wieder hergerichtet. Dann stand der Zug in Lichtenfels im Freien. So sieht er auch aus. Graffitischmierer haben ihre Spuren hinterlassen, der Lack ist hinüber, Wasser steht zwischen manchen Fensterscheiben, und der Rost hat sich in die Außenhülle gefressen.

Mario Lieb ist ein Visionär. Er stellt sich vor, dass der SVT , wieder fährt. Mit 140 Stundenkilometern, fast 150 Meter lang, knapp 300 Tonnen schwer und mit 250 Fahrgästen. Dazu kommen noch 23 im Speisewagen, in dem wieder gekocht werden soll. Wie damals, als der Vindobona noch fuhr. Lokführer finde er dafür genug, meint der Leipziger, der in der Bahn-Verwaltung arbeitet.

Jetzt braucht die Truppe, die den Zug wieder flott machen will, erst einmal Geld. Viel Geld. Vier Millionen müssen es mindestens sein, steht in einer achtseitigen Projektbeschreibung. Dazu kommen noch einmal 1,5 Millionen Euro für zusätzliche Waggons, einen weiteren Triebkopf und zwei Reservedrehgestelle. Lieb vergleicht den Zug mit einem Oldtimer. „Der ist wie ein Scheunenfund im guten Zustand.“ Fast alles ist im Original erhalten, von den drehbaren Doppelsitzen in den Großraumabteilen an den Zugenden über die Gepäckfächer mit den Leselampen in allen Abteilen bis hin zu den Sitzpolstern, Griffen und Aschenbechern, dem Speisewagen und den Toilettenräumen.

Zu tun ist dennoch jede Menge und die knapp 50 Mitstreiter in der gemeinnützigen Firma, die das Mammutprojekt stemmen will, brauchen dafür Hilfe. „Wir müssen uns erst mal auf das Wichtigste verlegen“, sagt Mario Lieb, „das ist die Finanzierung“. Rund 24 000 Euro kostet jedes Jahr allein der Stellplatz in der Halle an der Zwickauer Straße. Dieses Geld kommt bisher von den Gesellschaftern der Firma und von Spendern. Lieb hofft, dass die Enthusiasten Firmen gewinnen können, die ganze Arbeitsprojekte übernehmen. Zum Beispiel eine Firma, die die Motoren wieder in Gang setzt. Oder eine Firma, die die Polster auf Vordermann bringt. Gebraucht werden Elektrospezialisten und Mechaniker, Küchenfachleute und Sanitärinstallateure. Das Äußere des Zuges muss erneuert werden. Dafür braucht es Firmen, die Bleche ersetzen und Lackarbeiten übernehmen können.

Sind genug Unterstützer gefunden, sodass Spenden und Gratis-Arbeitsleistungen die Projektkosten decken, kann alles ganz schnell gehen. Maximal ein Jahr dauert es dann, bis der SVT wieder fahren kann, schätzt Lieb. Dann soll der schnittige DDR-Zug Geld verdienen, damit alle regelmäßigen Arbeiten finanziert werden können. Dazu gehört unter anderem die Hauptuntersuchung, die alle acht Jahre nötig ist. Allein dieser Zug-Tüv kostet rund 800 000 Euro.

Das Reisevergnügen im Schnellverkehrstriebwagen soll aber nicht nur etwas für besonders wohlhabende Fahrgäste werden. Eine Fernreise zum Beispiel nach Kopenhagen oder Wien könnte in der 1. Klasse 150 Euro kosten, in der 2. Klasse 110 Euro, haben die SVT-Liebhaber errechnet. Dazu kommen dann noch die Einnahmen aus dem Speisewagen.

Und wann rollt der Vindobona wieder? In zwei Jahren, hofft Lieb. Gelingt es bis etwa Ende 2020 nicht, ausreichend viel Unterstützung zu gewinnen, könnte das aber das Aus für den SVT sein. Das sagt Lieb ganz überzeugend. So richtig glauben mag man es ihm aber nicht.

1973 war der Vindobona ein gewohntes Bild wie hier auf der Fahrt durch die Sächsische Schweiz. © SZ/Archiv
Der Platz im Führerstand war früher sehr begehrt, weiß Mario Lieb. Auch heute rechnet er mit viel Lokführer-Interesse. © René Meinig
Der SVT 18.16 hat gelitten. Nicht nur Wind und Wetter haben ihm zugesetzt. Künftig soll der Zug wieder fahren. © René Meinig
Die Doppelsitze in den Kopfteilen an den zwei Zugenden kann man drehen. So muss niemand rückwärts fahren. © René Meinig
Der Speisewagen hat 23 Plätze und eine Küche, in der noch richtig am Propangasherd gekocht werden kann. © René Meinig

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